Bouquiniste – Librairie Allemande

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Poème de la semaine

Bertolt Brecht 

Der Pflaumenbaum

Im Hofe steht ein Pflaumenbaum,
Der ist so klein, man glaubt es kaum.
Er hat ein Gitter drum,
So tritt ihn keiner um.
Der Kleine kann nicht größer wer’n,
Ja – größer wer’n, das möcht’ er gern!
‘s ist keine Red davon:
Er hat zu wenig Sonn’.

Dem Pflaumenbaum, man glaubt ihm kaum,
Weil er nie eine Pflaume hat.
Doch er ist ein Pflaumenbaum:
Man kennt es an dem Blatt.

Poème de la semaine

Christian Morgenstern

Das Wasser

Ohne Wort, ohne Wort
rinnt das Wasser immerfort;
andernfalls, andernfalls
spräch’ es doch nichts andres als:

Bier und Brot, Lieb und Treu, –
und das wäre auch nicht neu.
Dieses zeigt, dieses zeigt,
dass das Wasser besser schweigt.

Poème de la semaine

Ludwig Uhland

Der Sommerfaden

Da fliegt, als wir im Felde gehen,
Ein Sommerfaden übers Land,
Ein leicht und licht Gespinst der Feen,
Und knüpft von mir zu ihr ein Band.
Ich nehm’ ihn für ein günstig Zeichen,
Ein Zeichen, wie die Lieb’ es braucht.
O Hoffnungen der Hoffnungsreichen,
Aus Duft gewebt, von Luft zerhaucht!

Poème de la semaine

Heinrich Heine

Der Schmetterling

Der Schmetterling ist in die Rose verliebt,
Umflattert sie tausendmal,
Ihn selber aber, goldig zart,
Umflattert der liebende Sonnenstrahl.

Jedoch, in wen ist die Rose verliebt?
Das wüßt ich gar zu gern.
Ist es die singende Nachtigall?
Ist es der schweigende Abendstern?

Ich weiß nicht, in wen die Rose verliebt;
Ich aber lieb euch all:
Rose, Schmetterling, Sonnenstrahl,
Abendstern und Nachtigall.

Poème de la semaine

Theodor Fontane

Der echte Dichter

Ein Dichter, ein echter, der Lyrik betreibt,
Mit einer Köchin ist er beweibt,
Seine Kinder sind schmuddlig und unerzogen,
Kommt der Mietszettelmann, so wird tüchtig gelogen,
Gelogen, gemogelt wird überhaupt viel,
»Fabulieren« ist ja Zweck und Ziel.

Und ist er gekämmt und gewaschen zuzeiten,
So schafft das nur Verlegenheiten,
Und ist er gar ohne Wechsel und Schulden
Und empfängt er pro Zeile ‘nen halben Gulden
Oder pendeln ihm Orden am Frack hin und her,
So ist er gar kein Dichter mehr,
Eines echten Dichters eigenste Welt
Ist der Himmel und – ein Zigeunerzelt.